Manche der in Streichinstrumenten und Bögen traditionell verbauten Materialien unterliegen nämlich mittlerweile dem Artenschutz (C.I.T.E.S. = Convention on International Trade in Endangered Species of Wild Fauna and Flora = Washingtoner Artenschutzabkommen). Deshalb bestehen strenge Reisebestimmungen mit Instrumenten bei der Ein- und Ausreise über die Aussengrenzen der EU und zwischen Drittstaaten.
Für Streichinstrumente relevante und geschützte Materialien sind: Elfenbein, Schildpatt, Walknochen, Knochen anderer geschützter Tierarten, Echsenleder, Leder anderer geschützter Tierarten, Fischbein, Perlmutt von ungeklärter Art, Palisander.
Meine Aufgabe bestand darin, die Instrumente und Bögen genauestens zu untersuchen, um sicher zu stellen, daß keine dieser geschützten Materialen verarbeitet waren.
Im Jänner 2016 begann ich in enger und sehr konstruktiver Zusammenarbeit mit dem Team des Orchesterbüros mit der Arbeit, die bis kurz vor Weihnachten des selben Jahres dauern sollte.
Während dieser Zeit begutachtete ich insgesamt 87 Instrumente und 77 Bögen.
Die Instrumente und Bögen wurden fotografisch dokumentiert, um letztendlich sogenannte Declarations of Materials (Materialbescheinigungen) ausstellen zu können.
Eine Declaration of Materials kann von jedem Geigenbaumeister unter Wahrung höchster Sorgfaltspflicht ausgestellt werden. Auf der in englischer Sprache verfaßten Declaration befinden sich Fotos des Instrumentes bzw. des Bogens und eine Liste sämtlicher verbauter Materialien mit der lateinischen Bezeichnung.
Hier sehen sie je eine Declaration of Materials für ein Cello und einen Kontrabaßbogen:
Eine solche Declaration of Materials kann daher nur für Instrumente oder Bögen ausgestellt werden, wenn sich keine geschützten Arten auf dem jeweiligen Objekt befinden!
Insgesamt habe ich 104 Declarations verfaßt.
Diese Declarations wurden anschließend an das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft weitergeleitet. Vom Ministerium wurde jede Declaration überprüft und eine sogenannte Negativbescheinigung ausgestellt. Diese Negativbescheinigung ist nicht zwingend notwendig, wird aber für Reisen in die USA dringend empfohlen.
So sehen die Negativbescheinigungen aus für die beiden oben gezeigten Declarations of Materials:
Leider waren nicht alle Instrumente und Bögen „reisefit“, d.h. an manchen Objekten befanden sich geschützte Materialien. Das wäre für Konzertreisen innerhalb der EU kein Problem, von der USA-Tournee waren diese Instrumente und Bögen aber leider ausgeschlossen. Einige dieser Instrumente und Bögen konnten durch andere unbedenkliche Instrumente und Bögen ausgetauscht werden.
Instrumente, die nicht so leicht ausgetauscht werden konnten, mußten von mir umgebaut werden um sie reisefit zu machen. Dabei wurden hauptsächlich Wirbel, Knöpfchen, Stachelbirnen, Saitenhalter und Kinnhalter aus Palisander oder mit Elfenbeinverzierungen durch entsprechende Zubehörteile aus Ebenholz ersetzt.
Wie sinnvoll und nachhaltig diese Vorgehensweise ist, eine unter Artenschutz stehende Tropenholzart durch eine andere Tropenholzart, die in verarbeiteter Form (noch!) nicht artengeschützt ist, zu ersetzen, sei dahingestellt. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis auch Ebenholz auf Anhang 1 der Artenschutzliste gelistet wird.
Ich habe bei meiner Arbeit für das Brucknerochester davon abgeraten originale Elfenbeinkopfplatten an historischen Bögen zu entfernen und durch andere unbedenkliche Materialen zu ersetzen. Meiner Meinung nach ist die Entfernung einer originalen Kopfplatte auf jeden Fall mit einem Wertverlust des Bogens verbunden. Lieber einen anderen unbedenklichen Bogen auf Tournee mitnehmen, anstatt Kulturgut zu zerstören. Mir erschließt sich auch die Logik nicht, wie der Austausch einer originalen Elfenbeinkopfplatte auf einem 150 Jahre alten feinen Meisterbogen dem Artenschutz dienen könnte. Ein jetzt lebender Elefant hat nichts davon, wenn diese Kopfplatte ausgetauscht werden würde – sein Urgroßvater ist leider schon lange tot.
Viel besser wäre es, strenger gegen Wilderer und den illegalen Handel mit Elfenbein vorzugehen!!!
Ein weiteres Kuriosum stellen Bogenkopfplatten aus Mammut dar. Fossiles Mammut befindet sich nicht auf der Artenschutzliste, weil Mammuts ja schon ausgestorben sind. Somit wäre ein Bogen mit einer Mammutkopfplatte „reisefähig“. Leider kann Mammut von Elfenbein optisch nicht unterschieden werden. Der Nachweis, um welches der beiden Materialien es sich handelt, kann nur durch Laboruntersuchungen, bei denen die Kopfplatte zerstört wird, erbracht werden. Das ist der Grund warum ich auch davon abgeraten habe, Bögen mit Mammutkopfplatten auf die Tournee mitzunehmen, wenn nicht nachweisbar war (z.B. durch Reparaturrechnungen), daß es sich tatsächlich um Mammut handelt.
Somit war ein großer Teil der Bögen leider nicht reisefähig, weshalb vom Orchester extra für die Tournee günstige und artenschutzrechtlich unbedenkliche Karbonbögen angekauft und den Musikern zur Verfügung gestellt wurden. Daß aber ein günstiger Karbonbogen nicht so gut klingt wie ein Meisterbogen aus Holz muß wohl nicht extra erklärt werden.
Als Dankeschön für diesen zeitintensiven Großauftrag des Brucknerorchesters habe ich zwei selbstgebaute Instrumente für die Tournee kostenlos zur Verfügung gestellt – eine Geige und eine Bratsche.
Ich wünsche dem Brucknerorchester eine tolle und erfolgreiche Tournee!
Bedanken möchte ich mich für die Unterstützung und gute Zusammenarbeit bei Frau Mag. Jutta Molterer vom BMLFUW, beim Team des Orchesterbüros des Brucknerorchesters Linz Sebastian Hazod, Oliver Deak, Christiane Bähr und Martin Edtmayr und bei meinen Bogenbau- und Geigenbauerkollegen und -Kolleginnen Klaus Grünke, Thomas Gerbeth, Daniel Schmidt, Joseph Gabriel, Otto Karl Schenk, Rupert Hofer, Christine Eriks, Peter Tunkowitsch, Franz Übelhör und Martha Breit.
Weitere Informationen zur organisatorischen Arbeit des Orchesterbüros können Sie hier und hier nachlesen.
Aktuelle Informationen zur Reisefähigkeit von Instrumenten finden Sie hier.